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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 22.12.2000
Aktenzeichen: 8 UF 16/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB §§ 1601 ff | |
ZPO § 323 II | |
ZPO § 323 IV |
SchlHOLG, 1. FamS, Urteil vom 22. Dezember 2000, - 8 UF 16/00 -
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
8 UF 16/00 19 F 158/99 Amtsgericht
Verkündet am: 22. Dez. 2000
Justizsekretär z. A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In der Familiensache
des
Klägers und Berufungsklägers,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
gegen
Beklagte und Berufungsbeklagte,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
hat der 1. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Amtsgericht auf die mündliche Verhandlung vom 7. November 2000 für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - vom 23. 12. 1999 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Urkunde des Städtischen Jugendamts der Stadt S vom 27. 6. 1996 - Urkundenregisternummer - wird dahin abgeändert, dass der Kläger an die Beklagte folgende Kindesunterhaltsbeträge zu zahlen hat:
ab Februar 1999 monatlich 448,00 DM, vom 1. bis 21. Oktober 1999 272,00 DM, ab 22. Oktober 1999 monatlich 215,00 DM, für Januar 2000 205,00 DM, ab Februar 2000 monatlich 262,29 DM, ab 3. April 2000 monatlich 230,00 DM.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten der ersten Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten der zweiten Instanz tragen zu 4/5 der Kläger und zu 1/5 die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die 1983 geborene Beklagte ist die eheliche Tochter des Klägers. Die Ehe des Klägers mit der Mutter der Beklagten wurde 1989 rechtskräftig geschieden.
Durch Urkunde des Städtischen Jugendamts der Stadt S vom 27. 6. 1996 verpflichtete sich der Kläger, an die Beklagte mit Wirkung vom 1. 6. 1996 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 575 DM zu zahlen. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Abänderung dieser Unterhaltsverpflichtung.
Der 1952 geborene Kläger ist gelernter Großhandelskaufmann. Nach seinen Angaben in den vorliegenden Bewerbungsschreiben war er während der Ehezeit in verschiedenen Geschäftsbereichen, vorwiegend im Lebensmitteleinzelhandel und in der Gastronomie in leitender kaufmännischer Position beschäftigt. Ab Mai 1995 arbeitete er als kaufmännischer Angestellter bei der Firma P Industrielle Verpackungsmaterialien in S. Geschäftsführer dieser Firma ist der Zeuge L, ein Cousin des Klägers. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt hoch verschuldet. Seiner Behauptung nach hatte er noch aus der Ehezeit herrührende Schulden von mehreren hunderttausend D-Mark. Der Zeuge L, dem die Verschuldung des Klägers bekannt war, wollte dem Kläger bei der Schuldtilgung behilflich sein. Dem Kläger gelang es jedoch nicht den ausgearbeiteten Schuldtilgungsplan einzuhalten. Zum 31. 5. 1997 wurde sein Arbeitsverhältnis von der Firma P gekündigt. Danach war der Kläger arbeitslos. Im August 1998 wurde er von der Firma B B, die damals die Kantine im Polizeipräsidium F betrieb, als "Kantinenhilfe" eingestellt. Dieses Arbeitsverhältnis wurde ihm von der Firma B wegen Betriebsschließung zum 15. 5. 1999 gekündigt. In der Zeit vom 16. 5. bis 21. 10. 2000 bezog der Kläger Arbeitslosengeld. Am 1. 2. 2000 hat der Kläger selbst den Betrieb der Kantine im Polizeipräsidium F übernommen.
Die Beklagte lebt im Haushalt ihrer Mutter. Sie besuchte bis zum Sommer 1999 die Realschule. In der Zeit vom 5. Oktober 1999 bis Ende Januar 2000 arbeitete sie für 620 DM netto monatlich in einem Sparmarkt in T. Seit dem 3. 4. 2000 ist sie Auszubildende für den Beruf der Bürokauffrau bei der Wirtschaftsakademie in R und erhält eine Ausbildungsvergütung.
Der Kläger hat in erster Instanz vorgetragen, die Kündigung durch die Firma P zum 31. 5. 1997 sei aus betriebsbedingten Gründen wegen Personalabbaus erfolgt. Da sich seine Einkommensverhältnisse nach der Kündigung verschlechtert hätten, sei eine Abänderung der Unterhaltsverpflichtung zu seinen Gunsten gerechtfertigt. Ab Oktober 1999 sei im Übrigen das eigene Einkommen der Beklagten auf den Unterhaltsbedarf anzurechnen. Der Kläger hat in erster Instanz beantragt, die Urkunde des Jugendamts der Stadt S dahingehend abzuändern, dass er in der Zeit vom 1. 2. 1999 bis 30. 9. 1999 lediglich 448 DM monatlichen Kindesunterhalt, ab 1. 10. 1999 30 DM monatlichen Kindesunterhalt und ab 1. 11. 1999 keinen Kindesunterhalt mehr zu zahlen habe. Die Beklagte hat die Klagforderung insoweit anerkannt, als eine Unterhaltsreduzierung ab Oktober 1999 auf 262,30 DM beantragt worden ist und im Übrigen Klagabweisung beantragt. Die Beklagte hat sich in erster Instanz im Wesentlichen darauf berufen, dem Kläger seien die zum Zeitpunkt der Erstellung der Jugendamtsurkunde vom 27. 6. 1996 bezogenen Erwerbseinkünfte bei der Firma P weiter zuzurechnen, weil der Kläger die Kündigung seines damaligen Arbeitsverhältnisses selbst verschuldet habe.
Das Familiengericht hat Beweis erhoben über die Behauptung des Klägers, der Kläger habe seinen Arbeitsplatz bei der Firma P aus betrieblichen Gründen verloren, durch Vernehmung des Zeugen L vor dem Rechtshilfegericht in S. Das Familiengericht hat die Abänderungsklage sodann, soweit die Unterhaltsreduzierung ab Oktober 1999 nicht von der Beklagten teilweise anerkannt wurde, zum überwiegenden Teil abgewiesen. Es hat die Abänderung der Jugendamtsurkunde erst für die Zeit ab dem 12. Mai 1999, dem Zeitpunkt des Zugangs des Prozesskostenhilfeantrages bei der Beklagten, für zulässig erachtet. Bei der Unterhaltsberechnung ist das Familiengericht von einem dem früher bei der Firma P erzielten Einkommen entsprechenden fiktiven Einkommen von monatlich 3100 DM netto des Klägers ausgegangen. Der Verlust des Arbeitsplatzes bei der Firma P sei dem Kläger unterhaltsrechtlich vorzuwerfen. Der Kläger habe den Arbeitsplatz nicht aus betrieblichen Gründen, sondern deshalb verloren, weil er den mit dem Geschäftsführer und Zeugen L ausgearbeiteten Schuldenplan nicht eingehalten und neue Schulden gemacht habe. Nach der Einkommensgruppe 5 der Unterhaltsrechtlichen Leitlinien schulde der Kläger der Beklagten einen monatlichen Tabellenunterhalt von 643 DM bis 30. 6. 1999 und 653 DM ab 1. 7. 1999. Ab Oktober 1999 hat das Familiengericht eigene Einkünfte der Beklagten von 578,11 DM netto im Monat Oktober 1999 und 620 DM netto ab November 1999 nach Abzug eines Berufstätigenbonus von einem Siebtel zur Hälfte auf den Unterhaltsbedarf angerechnet und ist so zu einer Unterhaltsverpflichtung von 280,24 DM im Oktober 1999 und 262,29 DM ab November 1999 gelangt.
Mit der Berufungsbegründung trägt der Kläger vor, das Familiengericht habe eine Abänderung der Jugendamtsurkunde zu Unrecht erst ab dem 12. 5. 1999 für zulässig gehalten. Das Familiengericht habe weiter zu Unrecht das frühere Einkommen des Klägers bei der Firma P von 3100 DM monatlich fortgeschrieben. Die Kündigung im Jahr 1997 sei dem Kläger unterhaltsrechtlich nicht vorwerfbar. Darauf, aus welchen Gründen der Kläger seinen Arbeitsplatz bei der Firma P verloren habe, komme es im Übrigen nicht mehr an. Fiktive Erwerbseinkünfte könnten nicht beliebig und ohne zeitliches Ende zugerechnet werden.
Ab Oktober 1999 seien die von der Beklagten erzielten eigenen Erwerbseinkünfte voll auf den Unterhaltsbedarf anzurechnen, weil die minderjährige Beklagte, die nicht mehr schulpflichtig sei und sich auch in keiner Berufsausbildung befunden habe, verpflichtet gewesen sei, ihren Unterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu verdienen.
Von dem aus dem Betrieb der Polizeikantine erzielten Einkommen könne der Kläger Unterhaltszahlungen an die Beklagte nicht erbringen, weil alle Erlöse aus der Kantine in den Aufbau der neuen Betriebsstruktur fließen müssten.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Unterhaltsverpflichtung des Klägers aus der Jugendamtsurkunde vom 27. 6. 1996 dahin abzuändern, dass der Kläger an die Beklagte folgende Unterhaltsbeträge zu zahlen hat:
a) ab Februar 99 monatlich 448 DM, b) ab Oktober 99 monatlich 96 DM, c) ab November 99 monatlich 75 DM, d) ab Januar 2000 monatlich 65 DM und e) ab April 2000 monatlich 230 DM.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte macht mit der Berufungserwiderung weiter geltend, der Kläger könne sich auf eine nach der Unterzeichnung der städtischen Jugendamtsurkunde vom 27. 6. 1996 eingetretene Verschlechterung seiner Einkommensverhältnisse nicht berufen, weil er die Kündigung durch seine damalige Arbeitgeberin, die Firma P, selbst verschuldet habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet.
Der Kläger kann eine Abänderung seiner Unterhaltsverpflichtung aus der Urkunde des Städtischen Jugendamts S vom 27. 6. 1996 bereits ab Februar 1999 verlangen. Der Kläger ist zwar im gesamten streitigen Unterhaltszeitraum dem Grunde nach zur Zahlung von Kindesunterhalt an die Beklagte verpflichtet. Seine Leistungsfähigkeit ist jedoch in geringerem Umfange gegeben als von dem Familiengericht angenommen.
Die Abänderung der Unterhaltsverpflichtung des Klägers aus der Jugendamtsurkunde vom 27. 6. 1996 ist ab Februar 1999 zulässig, ohne dass es darauf ankommt, ob die Beklagte von dem Kläger zuvor mit einem Verzicht auf ihre Rechte aus der Urkunde in Verzug gesetzt wurde. Die Zeitschranke der Vorschrift des § 323 Abs. 2 ZPO, nach der eine Abänderung von Unterhaltsurteilen erst ab Rechtshängigkeit oder Verzugseintritt zulässig ist, gilt nämlich für andere Schuldtitel, insbesondere die Schuldtitel gemäß § 323 Abs. 4 ZPO nicht. § 323 Abs. 4, der auf Jugendamtsurkunden über die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung entsprechend anwendbar ist, erweitert lediglich den formellen Anwendungsbereich der Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO auf andere Schuldtitel. Die Anpassung der Schuldtitel richtet sich hingegen nach den Regeln des materiellen Rechts, so dass es für die Abänderung der vorliegenden Jugendamtsurkunde lediglich darauf ankommt, ob und in welcher Höhe die Unterhaltsansprüche der Beklagten ab Februar 1999 gerechtfertigt waren (vgl. Wendl/Thalmann, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 8 Rdnr. 165 d, 168/169).
Dem Grunde nach ist die Unterhaltsverpflichtung des Klägers gegenüber der Beklagten gemäß §§ 1601 ff. BGB in dem gesamten hier streitigen Unterhaltszeitraum gegeben. Der Kläger ist der Beklagten nicht nur für die Zeit des Realschulbesuchs bis zum Sommer 1999 und die Zeit ab Beginn des Ausbildungsverhältnisses bei der Wirtschaftsakademie am 3. 4. 2000 zur Zahlung von Ausbildungsunterhalt gemäß § 1610 Abs. 2 BGB verpflichtet. Im Rahmen der Ausbildungsunterhaltsverpflichtung hatte der Kläger der Beklagten nach Beendigung der Schule auch eine zur beruflichen Orientierung und der Suche nach einem Ausbildungsplatz dienende Überbrückungszeit zu finanzieren (vgl. Palandt, BGB, 59. Aufl., § 1610 Rdnr. 19). Die Beklagte hat sich ausweislich der Bestätigung des Arbeitsamtes N vom 26. 8. 1999 bereits im Sommer 1999 um einen Ausbildungsplatz bemüht. Auch wenn schon im Herbst 1999 erkennbar gewesen sein mag, dass die Beklagte frühestens im Frühjahr 2000 eine Ausbildungsstelle finden würde, bestand für die Wartezeit bis zum Beginn einer Berufsausbildung keine Obliegenheit der Beklagten, ihren Lebensunterhalt voll zu verdienen. Von der im Herbst 1999 erst 16-jährigen Beklagten konnte allenfalls verlangt werden, dass sie mit Aushilfsjobs, die minderjährigen Schülern oder Schulabgängern üblicherweise nur im sozialversicherungsfreien Bereich angeboten werden, etwas zu ihrem Lebensunterhalt hinzuverdiente. Einer entsprechenden Erwerbsobliegenheit hat die Beklagte dadurch genügt, dass sie ab Oktober 1999 auf 620-DM-Basis in einem Supermarkt gearbeitet hat. Dieses Arbeitsverhältnis ist der Beklagten nach ihrem unbestrittenen Vortrag in der mündlichen Verhandlung von dem Arbeitgeber zum 31. 1. 2000 aus gesundheitlichen Gründen gekündigt worden. Wenn die Beklagte danach in den bis zum Beginn der Ausbildung am 3. 4. 2000 verbleibenden zwei Monaten keinen neuen Job mehr angenommen hat, kann ihr hieraus aus unterhaltsrechtlicher Sicht kein Vorwurf gemacht werden. Es kann nämlich schon nicht unterstellt werden, dass die Beklagte in der kurzen ihr bis zum Beginn der Ausbildung verbleibenden Zeit überhaupt eine neue Arbeit hätte finden können. Es ist daher nicht gerechtfertigt, der Beklagten für die Monate Februar und März 2000 fiktive eigene Erwerbseinkünfte auf den Unterhaltsbedarf anzurechnen.
Teilweise anzurechnen sind lediglich die tatsächlich durch die Arbeit im Supermarkt erzielten Einkünfte von 578,11 DM im Oktober 1999 und monatlich 620 DM in den Monaten November 1999 bis Januar 2000. Dieses Einkommen ist zu bereinigen um berufsbedingte Fahrtkosten und eine Erwerbstätigenpauschale. Die berufsbedingten Fahrtkosten sind, weil die Beklagte an sechs Tagen der Woche von ihrer Mutter mit dem Pkw zur Arbeit gefahren wurde und der einfache Fahrtweg 6 km ausmachte, mit (24 Tage x 12 km x 0,45 DM) = 129,60 DM anzusetzen. Den monatlichen Mehrbedarf, der der Beklagten durch die Erwerbstätigkeit entsteht, schätzt der Senat entsprechend der in den Unterhaltsrechtlichen Leitlinien für den Mehrbedarf Auszubildender vorgesehenen Pauschale auf 150 DM monatlich. Das danach verbleibende Einkommen der Beklagten von (578,11 DM Monatseinkommen minus 150 DM Pauschale minus 129,60 DM Fahrtkosten) = 298,51 DM im Oktober 1999 und (620 DM Monatseinkommen minus 150 DM Pauschale minus 129,60 DM Fahrtkosten) = 340,40 DM in den Monaten November 1999 bis Januar 2000 ist, weil die Beklagte noch minderjährig ist, nach den Unterhaltsrechtlichen Leitlinien (B 6 b) zur Hälfte, mithin in Höhe von rund 149 DM im Monat Oktober 1999 und im Übrigen in Höhe von monatlich 170 DM auf den Bedarf der Beklagten anzurechnen.
Für die Zeit ab 3. 4. 2000 ist die von der Beklagten erhaltene Ausbildungsvergütung nach Abzug der Ausbildungspauschale von 150 DM und der berufsbedingten Fahrtkosten zur Hälfte auf den Unterhaltsbedarf anzurechnen. Die Fahrtkosten sind dabei in Höhe der von der Beklagten zurzeit tatsächlich aufgewendeten Kosten von monatlich 60 DM zu berücksichtigen. Die Beklagte hat vorgetragen, sie werde zurzeit von einer Bekannten in deren Pkw mit zur Ausbildungsstelle genommen und zahle dieser Bekannten dafür ein monatliches Benzingeld von 60 DM. Höhere Fahrtkosten für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel von 82 DM monatlich in der Vergangenheit können nicht einkommensmindernd berücksichtigt werden, weil die Beklagte nicht dargelegt hat, in welchem Zeitraum genau ihr entsprechend höhere Kosten entstanden sind. Es ergibt sich daher ein auf den Unterhaltsbedarf anzurechnendes eigenes Einkommen der Beklagten von (519,40 DM Ausbildungsvergütung minus 150 DM Ausbildungsfreibetrag minus 60 DM Fahrtkosten) = 309,40 DM : 2 = 154,70 DM.
Der Höhe nach bemisst sich der Unterhaltsbedarf der Beklagten, die im Haushalt ihrer Mutter lebt, nach den dem anrechenbaren Einkommen des Klägers entsprechenden Tabellenunterhaltssätzen. Entgegen der Auffassung der Beklagten beurteilt sich die Leistungsfähigkeit des Klägers im hier maßgeblichen Unterhaltszeitraum ab Februar 1999 nicht mehr nach den bis Mai 1997 bei der Firma P erzielten Nettoeinkünften von monatlich 3100 DM. Die Einkommenssituation des Klägers hat sich erheblich verschlechtert. In der Berufungsinstanz ist zwar unstreitig, dass das Arbeitsverhältnis bei der Firma P dem Kläger nicht aus betriebsbedingten Gründen gekündigt worden ist, der Zeuge L das Arbeitsverhältnis vielmehr deshalb gekündigt hat, weil ihm der Kläger, dem es während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht gelungen ist, seine erheblichen privaten Schulden abzubauen, für die ausgeübte kaufmännische Position nicht mehr geeignet erschien. Auch bei verschuldetem Verlust des Arbeitsplatzes ist es dem Unterhaltsschuldner jedoch nicht grundsätzlich verwehrt, sich auf die dadurch eingetretene Leistungsunfähigkeit zu berufen. Die Fiktion des früheren Einkommens ist vielmehr nur dann gerechtfertigt, wenn dem Schuldner der Vorwurf einer unterhaltsbezogenen Leichtfertigkeit gemacht werden kann (vgl. Wendl/Haußleiter, § 1 Rdnr. 394 bis 396). Ob dem Kläger wegen seines finanziellen Verhaltens im privaten Bereich, das für die Kündigung zumindest mitursächlich war, schon eine unterhaltsbezogene Leichtfertigkeit vorzuwerfen ist, kann im Ergebnis dahinstehen. Nach der Rechtsprechung des Senats rechtfertigt auch ein leichtfertig verschuldeter Arbeitsplatzverlust nicht für alle Zukunft die Fiktion des früheren Einkommens. Fiktive Erwerbseinkünfte dürfen dem Unterhaltsschuldner vielmehr nur für eine angemessene Übergangszeit von wenigen Monaten zugerechnet werden, die der Unterhaltsschuldner benötigt, um eine neue Arbeit zu finden. Wenn der Unterhaltsschuldner dann trotz aller ihm möglichen und zumutbaren Arbeitsbemühungen keine neue Arbeit oder nur eine schlechter bezahlte Arbeit findet, ist es nicht länger gerechtfertigt, dem Unterhaltsschuldner unter dem Gesichtspunkt der Obliegenheitsverletzung höhere fiktive Erwerbseinkünfte zuzurechnen. So liegt der Fall hier. Der Kläger hatte nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Firma P angesichts seines bisherigen beruflichen Werdegangs, insbesondere der wiederholten Kündigung seiner Arbeitsverhältnisse, sowie seiner hohen privaten Verschuldung offensichtlich auf dem Arbeitsmarkt keine reelle Chance mehr, eine Beschäftigung als kaufmännischer Angestellter zu finden, mit der er dem früheren Einkommen bei der Firma P entsprechende Erwerbseinkünfte hätte erzielen können. Der Kläger hat durch Vorlage schriftlicher Bewerbungen und schriftlicher Absagen einzelner Firmen nachgewiesen, dass er sich ab dem Sommer 1997 erfolglos auf zahlreiche Stellenangebote für Bürofachkräfte, Filialleiter, Außendienstmitarbeiter und ähnliche Stellen im kaufmännischen Bereich erfolglos beworben hat. In dieser Situation hatte der Kläger, wenn er nicht länger arbeitslos bleiben wollte, keine andere Chance, als eine weniger qualifizierte und weniger gut bezahlte Arbeit anzunehmen wie die Arbeit in der Kantine im Polizeipräsidium in F im August 1998.
Die Tätigkeit in der Polizeikantine hat er noch bis zum 15. Mai 1999 ausgeübt, so dass sich seine Leistungsfähigkeit in der Zeit vom 1. Februar bis zum 15. Mai 1999 nach dem dort erzielten Einkommen bemisst. Nach den vorliegenden Gehaltsbescheinigungen für die Monate Februar und März 1999 betrug das von der Firma W B B für die Arbeit in der Polizeikantine gezahlte Monatsnettoeinkommen 2149,95 DM. Ein Monatseinkommen in dieser Höhe, das für die Monate April bis Mitte Mai 1999 fortgeschrieben werden kann, entspricht der Einkommensgruppe 1 der Unterhaltsrechtlichen Leitlinien. Im Hinblick darauf, dass der Kläger lediglich der Beklagten gegenüber zum Unterhalt verpflichtet ist, ist eine Höherstufung in die Einkommensgruppe 2 gerechtfertigt. Der nach der Einkommensgruppe 2 und der Altersstufe 3 geschuldete Unterhalt beträgt 538 DM - 125 DM anteiliges Kindergeld = 413 DM.
Für die Zeit vom 1. Februar bis zum 15. Mai 1999 hat die Berufung des Klägers, mit der er lediglich eine Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung auf 448 DM monatlich begehrt, daher vollen Umfanges Erfolg.
In der Zeit vom 16. 5. bis zum 21. 10. 1999 hat der Kläger Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich (457,80 DM Arbeitslosengeld wöchentlich x 52 Wochen : 12 Monate) = 1983,80 DM bezogen. Höhere fiktive Erwerbseinkünfte können dem Kläger nicht zugerechnet werden. Der Kläger hat den Arbeitsplatz in der Polizeikantine wegen der Betriebsschließung verloren und es kann nicht unterstellt werden, dass er eine Arbeit hätte finden können, mit der er das ihm monatlich gezahlte Arbeitslosengeld übersteigende Einkünfte hätte erzielen können.
Bei einem anrechenbaren Monatseinkommen von 1983,80 DM schuldet der Kläger der Beklagten für die Zeit vom 16. 5. bis zum 30. 9. 1999 den Mindestunterhalt von (502 DM - 125 DM anteiliges Kindergeld) = 377 DM bis Juni 1999 und (510 DM - 125 DM anteiliges Kindergeld) = 385 DM ab Juli 1999. Eine Höherstufung in die Einkommensgruppe 2 ist mangels Wahrung des Bedarfskontrollbetrages von 1600 DM nicht gerechtfertigt.
Die Berufung des Klägers, mit der er bis einschließlich September 1999 lediglich eine Herabsetzung des monatlichen Unterhaltsbetrages auf 448 DM begehrt, ist daher ebenfalls begründet.
Ab Oktober 1999 vermindert sich der Bedarf der Beklagten um die anrechenbaren eigenen Erwerbseinkünfte. Für die Dauer des Arbeitslosengeldbezuges bis zum 21. 10. 1999 bemisst sich der Unterhaltsbedarf nach der Einkommensgruppe 2 auf (546 DM Tabellenunterhalt minus 125 DM anteiliges Kindergeld minus 149 DM eigenes Einkommen der Beklagten) = 272 DM.
Ab 22. 10. 1999 hat der Kläger seiner Behauptung nach nur noch Arbeitslosenhilfe bezogen. Auch wenn die monatliche Arbeitslosenhilfe unter dem kleinen Selbstbehalt von monatlich 1400 DM gelegen haben mag, kann der Kläger sich nicht mit Erfolg auf seine Leistungsunfähigkeit berufen. Den Kläger trifft gegenüber der minderjährigen Beklagten nämlich eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit. Um den Mindestunterhalt der Beklagten sicherzustellen, hätte er auch unqualifizierte Arbeiten, beispielsweise Aushilfstätigkeiten im Verkaufsbereich oder als Fahrer übernehmen müssen. Aus entsprechenden Tätigkeiten, um die er sich nach den vorgelegten Bewerbungsunterlagen nicht ausreichend bemüht hat, hätte er ein Erwerbseinkommen erzielen können, das ihn in die Lage versetzte, den Mindestbedarf der Beklagten zu decken. Der Mindestbedarf der Beklagten betrug ab 22. 10. 1999 (510 DM Tabellenunterhalt minus 125 DM anteiliges Kindergeld minus 170 DM eigenes Einkommen der Beklagten) = 215 DM monatlich und im Januar 2000 wegen Erhöhung des Kindergelds 205 DM. Die Leistungsfähigkeit des Beklagten wäre daher schon bei einem Einkommen von 1615 DM netto monatlich, das er aus ihm zumutbaren Hilfsarbeiten mindestens hätte erzielen können, gedeckt gewesen.
Für die Zeit von Oktober 1999 bis Januar 2000 hat die Berufung des Klägers, mit der er eine Herabsetzung der von dem Familiengericht angenommenen Unterhaltsbeträge von 280,40 DM auf 30 DM für Oktober 1999 und im Übrigen von 262,29 DM auf Null begehrt, daher nur in geringem Umfang Erfolg.
Im Februar 2000 hat der Kläger die Polizeikantine in F übernommen. Ab diesem Zeitpunkt ist dem Kläger ein Einkommen zuzurechnen, das der Höhe nach in etwa dem Einkommen entspricht, das der Kläger erzielt hat, als er die Polizeikantine als Angestellter der Firma B B betrieben hat. Das Einkommen eines Selbständigen lässt sich wegen der monatlich schwankenden Einkünfte verlässlich nur nach einem Jahresschnitt, regelmäßig sogar nach dem in drei Wirtschaftsjahren durchschnittlich erzielten Einkommen bemessen. Der Kläger betreibt die Kantine aber noch nicht einmal ein Jahr lang und legt als Einkommensnachweis lediglich die betriebswirtschaftlichen Auswertungen für zwei Monate vor. Eine Prognose über die zukünftige Einkommensentwicklung des Klägers ist danach zurzeit noch nicht möglich. Die Entscheidung des Klägers, sich selbständig zu machen, und die damit in der Anfangsphase verbundene Unklarheit seiner Einkommensverhältnisse darf jedoch nicht zu Lasten der unterhaltsberechtigten Beklagten gehen. Der Kläger kann sich vorliegend nicht mit Erfolg darauf berufen, zurzeit müssten noch alle Erlöse aus der Kantine in den Aufbau der Betriebsstruktur fließen. Im Hinblick auf seine gesteigerte Erwerbspflicht gegenüber der minderjährigen Beklagten hat der Kläger sich vielmehr so behandeln zu lassen, als würde er über ein Einkommen verfügen, das er mit einer seiner selbständigen Tätigkeit entsprechenden Erwerbstätigkeit erzielen könnte, und seine betrieblichen Investitionen sowie seine private Lebensführung so weit einzuschränken, dass er den entsprechenden Unterhalt für die Beklagte aufbringen kann.
Bei einem anrechenbaren Einkommen von monatlich etwa 2150 DM, das der Kläger als Angestellter der Firma B B erzielt hat, schuldet er der Beklagten den Tabellenunterhalt nach der Einkommensstufe 2. Er ist daher in der Zeit vom 1. 2. bis 2. 4. 2000, als die Beklagte über eigene Einkünfte nicht verfügte, zur Zahlung der von dem Familiengericht angenommenen Unterhaltsbeträge von monatlich 262,29 DM verpflichtet, so dass seine Berufung insoweit ohne Erfolg bleibt.
Ab 3. 4. 2000 ist die Ausbildungsvergütung der Beklagten in Höhe eines Betrages von 154,70 DM auf den Bedarf anzurechnen. Danach ergibt sich ein monatlich geschuldeter Unterhaltsbetrag von (546 DM Tabellenunterhalt minus 135 DM Kindergeld minus 154,70 DM Ausbildungsvergütung) rund 230 DM. Insoweit ist das angefochtene Urteil zugunsten des Klägers abzuändern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Ende der Entscheidung
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